Interviewreihe

Interview-Reihe Soziale Arbeit

Die Interviews bieten uns als Bundesfachverband Betrieblicher Sozialer Arbeit die Möglichkeit, politische, juristische, wissenschaftliche, journalistische oder gesellschaftliche Expertise zu erhalten. So kann ein vertiefter und multiperspektivischer Einblick in die Thematik der sozialen Verantwortung in Organisationen gewonnen werden, wobei das Wechselspiel zwischen hohem Abstraktionsniveau der Antworten und den Schilderungen persönlicher Erfahrungen ganz essenziell zur Horizonterweiterung beiträgt.

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BBS-Interview mit Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier

Hans-Jürgen Papier (* 6. Juli 1943) ist ein deutscher Staatsrechtswissenschaftler. Von April 2002 bis zum 16. März 2010 war er Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier betont, dass das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip den Staat zur sozialen Aktivität verpflichtet, woraus der individuelle Rechtsanspruch auf eine menschenwürdige Existenzsicherung folgt. Der Kern der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist die Freiheit, weswegen der sozialstaatliche Auftrag an die Politik lautet, die Entfaltungschancen der Menschen zu ermöglichen, so dass sie von ihren Freiheiten Gebrauch machen. An den Beispielen des Grundeigentums und des sozialen Mietpreisrechts konkretisiert Papier den Freiheitsbegriff im Kontext des Sozialstaatsprinzips. Hans-Jürgen Papier weist darauf hin, dass Arbeitgeber eine soziale Verantwortung für die Beschäftigten haben. Diese soziale Verantwortung gesetzlich zu regeln, ist seiner Überzeugung nach möglich und sinnvoll. Eine gesetzliche Verpflichtung zur betrieblichen Sozialberatung kann sich Papier für Unternehmen ab einer gewissen Größe gut vorstellen. Angesichts der immer schneller fortschreitenden und alle Lebens- und Arbeitsbereiche durchdringenden Digitalisierung mahnt Papier den Gesetzgeber zum deutlich konsequenteren Schutz der Freiheitsrechte der Bürger.

BBS-Interview mit Prof. Dr. Bernd Stegemann

Bernd Stegemann (* 1967 in Münster) ist ein deutscher Essayist und Sachbuchautor. Hauptberuflich ist er Professor für Theatergeschichte und Dramaturgie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. (Bild: Katrin Ribbe)

Bernd Stegemann hat den Begriff Komplexitätstauglichkeit geprägt und beschreibt damit, dass Menschen heutzutage gezwungen sind, mehrere Krisen gleichzeitig meistern zu müssen. Während auf der privaten Ebene Erschöpfung durch nicht bezwungene Krisen drohe, sei dies auf der gesellschaftlichen Ebene Populismus, da zu Schwarz-Weiß-Denken, Komplexitätsreduktion und der Herabsetzung des Widerspruchs geneigt werde. Die gegenwärtig schrillende Daueralarmglocke könne nicht mit einfachen Lösungen bewältigt werden; zur Tauglichkeit gehöre auch das Aushalten der Komplexität. In der neoliberalen Ökonomie seien Reserven konsequent abgeschmolzen worden. Der Druck auf den Einzelnen wurde massiv erhöht, in dem seine soziale Sicherheit abgebaut worden sei.

Für gesellschaftliche Debatten empfiehlt Stegemann ein hermeneutisches Wohlwollen gegenüber dem Debattenpartner.

BBS-Interview mit Eugen Drewermann

Eugen Drewermann (* 20. Juni 1940) ist ein deutscher Theologe, Psychoanalytiker und Schriftsteller. Drewermann ist ein wichtiger Vertreter der tiefenpsychologischen Exegese und als kirchenkritischer Publizist tätig.

Eugen Drewermann setzt sich vehement für Menschlichkeit ein und tritt jeglichem Unrecht entschieden entgegen. Seine Fortschrittskritik prangert die zweckrationale Logik an. Menschen dürften niemals als Zweck gesehen werden – für Drewermann eine Selbstverständlichkeit, die aber immer wieder betont werden müsse. Das Wirtschaftssystem werde wie eine Religion betrachtet; die Folge sei, dass die Wertschätzung, die einem Menschen entgegengebracht werde, sich auf dessen Geldbörse beziehe. Auf Unternehmen bezogen kritisiert Drewermann, dass der Sozialstaat die Folgen von Entlassungen trage statt das Unternehmen selbst.

Entscheidungen in Unternehmen veranschaulicht Drewermann mit Hilfe von "Moby Dick". Der Politik wirft er ferner vor, sich als die „Guten“ zu überhöhen und damit alle anderen Meinungen zu dämonisieren. Er diagnostiziert außerdem eine „Pathologie des Sozialen“; die erzeugte Angst führe dazu, dass sich Menschen einen Retter suchten, was zu Disziplinierung und Überwachung führe.